10 häufige Irrtümer über intrakranielle Hypertension (IH)
1. Betroffene von Intrakranieller Hypertension haben zwangsläufig Kopfschmerzen
FALSCH. Während mittlere bis starke Kopfschmerzen zwar das am häufigsten auftretende Symptom von intrakranieller Hypertension ist, muss dies nicht immer so sein. Es gibt dokumentierte Fälle von IH, in denen Kopfschmerzen keine Rolle spielten. Ohne dieses Symptom können andere Auffälligkeiten wie visuelle Störungen, Stauungspapillen, Übelkeit, pulssynchroner Tinnitus und Nacken-/Rückenschmerzen auf einen erhöhten Hirndruck hinweisen.
2. Wenn man keine Stauungspapillen hat, ist der Hirndruck im Normalbereich
FALSCH. Man kann IH auch ohne Stauungspapillen haben. Genauso wie manche Patienten keine Kopfschmerzen entwickeln, entwickeln manche nie Stauungspapillen. Sind trotzdem Sehstörungen vorhanden, wird vermutet, dass sich der Sehnerv an einer anderen, nicht einsehbaren Stelle staut. Zudem können Stauungspapillen sich zurückbilden, während andere Symptome wie Kopfschmerzen, Schwindel oder weitere Symptome bestehen bleiben.
3. Die Ursache von IH ist unbekannt
FALSCH. Neben der Idiopathischen intrakraniellen Hypertension (IIH), bei der die Ursache tatsächlich unbekannt ist, gibt es auch Fälle der sekundären intrakraniellen Hypertension (SIH). Bei einer SIH war etwas Bestimmtes wie ein Trauma, eine Krankheit oder eine ungewünschte Reaktion auf Medikamente ursächlich für die Krankheit.
4. Wenn man IH hat, kann man nach einer Lumbalpunktion keine postpunktionellen Kopfschmerzen bekommen
FALSCH. Auch wenn eine Lumbalpunktion vielen Betroffenen eine kurzfristige Linderung der Symptome verschafft, kann der Eingriff die Hirnhäute so stark reizen, dass es zu postpunktionellen Kopfschmerzen kommt. Die Verwendung von möglichst dünnen Nadeln mit „atraumatischer“ Spitze ist die wichtigste Maßnahme, um die Wahrscheinlichkeit von postpunktionellem Kopfschmerz zu senken.
5. Jeder Verlust der Sehfähigkeit ist dauerhaft
FALSCH. Jeder Patient ist anders. Ein Sehkraftverlust ist nicht zwingend für immer. Je früher ein Gesichtsfelddefekt bemerkt und wirksam behandelt wird, desto besser sind die Heilungsaussichten. So lästig eine Gesichtsfeldmessung auf Dauer sein kann, so ist sie doch wichtig, weil nicht jeder Sehkraftverlust vom Betroffenen selbst bemerkt wird. Generell sollte man den Sehnerven mindestens 6 Monate Zeit geben, um abschätzen zu können, wie es um sie steht.
6. Es ist deine eigene Schuld
FALSCH. Niemand möchte krank sein. Es ist schwer genug mit der Krankheit selbst zu leben, also sollte man sich nicht auch noch einreden, dass man sie selbst verschuldet hat. Niemand weiß genau, wie Idiopathische intrakranielle Hypertension entsteht. Es kann helfen, sich mit anderen über die Krankheit auszutauschen. Ein Möglichkeit bietet dafür unser Forum auf Facebook.
6. Intrakranielle Hypertension verschwindet nach einer gewissen Zeit wieder
FALSCH. Beide Formen der intrakraniellen Hypertension können chronisch sein mit entsprechenden physischen, psychischen und finanziellen Auswirkungen. Auch wenn es einige Fälle gibt, bei denen sich die Symptome nach einer gewissen Zeit der Therapie zurückbilden, kann es im Laufe der Zeit wieder zu Rückfällen in das alte Krankheitsmuster kommen.
7. Wenn man intrakranielle Hypertension hat, ist der Eröffnungsdruck bei einer Lumbalpunktion immer über dem Normalbereich
FALSCH. Es ist auch möglich, dass man einen normalen Eröffnungsdruck hat und trotzdem an IH erkrankt ist. Es gibt viele Faktoren, die auf den Eröffnungsdruck Einfluss haben. Zum einen ist ein Schwanken des Hirndrucks über den Tag verteilt üblich. Zum anderen können die Dauer zwischen zwei Lumbalpunktionen, ein Liquorleck von einer vorherigen LP, die Körperposition, Medikamente und eine Verengung des Spinalkanals zu unterschiedlichen und teils falschen Ergebnissen führen.
8. Mit einem Shunt (Liquorableitung) kann man die intrakranielle Hypertension heilen
FALSCH. Nur bei Versagen der konservativen Therapie durch Medikamente und Lumbalpunktionen, oder wenn das Augenlicht akut gefährdet ist, stellt ein Shunt eine sinnvolle Therapiealternative dar. Denn ein Shunt kann viele Komplikationen mit sich bringen und ist oft nicht in der Lage, alle Symptome der Krankheit zu lindern.
9. Schlanke Frauen und Männer erkranken nicht an intrakranieller Hypertension
FALSCH. Grundsätzlich kann jeder an intrakranieller Hypertension erkranken. Wenn etwas Bestimmtes – ein Trauma, eine Krankheit oder eine ungewünschte Reaktion auf Medikamente – die Krankheit ausgelöst hat, ist das Gewicht meist kein Faktor. Nichtsdestotrotz darf der Zusammenhang zwischen Übergewicht und der Entwicklung einer Idiopathischen IH (IIH) nicht außer Acht gelassen werden. In einigen Fällen kann eine Gewichtsreduktion einen Rückgang der Symptome bewirken und wird deshalb empfohlen.
10. Benigne intrakranielle Hypertension (BIH) ist ebenfalls eine passende Bezeichnung für die Krankheit
FALSCH. Unbehandelt kann die Krankheit zu einem Sehverlust führen, der im schlimmsten Falle irreversibel ist. Der Begriff Benigne (übersetzt: gutartig) in der Krankheitsbezeichnung BIH gilt aus diesen Gründen unlängst als überholt. Und auch wenn die Bezeichnung Pseudotumor cerebri in der Praxis heute noch eine gängige Bezeichnung ist, scheint sie den wahren Ausmaßen der Krankheit keinen passenden Rahmen zu bieten. Das Wortbestandteil ‚Pseudo‘ wird leider oft fehlinterpretiert. (Idiopathische) Intrakranielle Hypertension ist daher die passenste Beschreibung des Krankheitsbildes.
– jl